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Einführung in die Hyperthermie – Potenziale der therapeutischen Überwärmung

 

Erstveröffentlicht in: Die Naturheilkunde – Gesundheitsrisiko Moderne

Holger Wehner

 

Ohne Frage stellt die Hyperthermie eine sinnvolle Option in der Behandlung ausgewählter chronischer Erkrankungen und von Krebsleiden unterschiedlicher Stadien dar. Dies belegen weltweit über Jahrzehnte gesammelte Erfahrungswerte ebenso wie zahlreiche Untersuchungen und Studien zum Thema. Bezüglich des Einsatzes der Hyperthermie bei chronischen Erkrankungen gibt es wissenschaftliche Daten unterschiedlicher Evidenz in der Dermatologie (Sklerodermie), der Gastroenterologie (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), der Pulmologie (Asthma), für den Einsatz bei Stoffwechselstörungen, Adipositas und Hypertonie sowie in der Rheumatologie bzw. der Immunologie und der Schmerztherapie, vor allem zur Behandlung der Fibromyalgie. Auch hyperthermer Einfluss in den Bemühungen zur Detoxifikation ist untersucht worden. Es ist leicht erkennbar: Das mögliche Einsatzspektrum der Hyperthermie ist überaus weit gefächert, die Methode richtig angewandt geeignet, bei einer Vielzahl von Erkrankungen – auch, aber nicht ausschließlich im onkologischen Bereich – eine nachhaltige Prognoseverbesserung zu begünstigen.

 

Die Hyperthermie ist ein spannender medizinischer Bereich, der sich in steter Bewegung befindet; Forschungen finden weltweit statt. In Zukunft besonders interessant könnte die Ganzkörperhyperthermie für bakterielle oder durch Viren verursachte Infektionserkrankungen werden. Hier zeigten erste Untersuchungen interessante Aspekte auf (HIV, Hepatitis, bei Spirochäten [Lues, Borreliose]). Für die verschiedenen Erkrankungen bieten sich differenzierte Gerätetechniken mit unterschiedlichen Energiequellen an. So ist als Beispiel für die dermatologische Zielsetzung und zur Behandlung der Fibromyalgie die wassergefilterte Infrarot-A-Strahlung wissenschaftlich definiert zu favorisieren.

 

Die vierte Säule in der Onkologie

Die Diagnose Krebs stellt die Betroffenen unverändert krass in einen besonderen Abschnitt ihres Lebens. Ängste vor Tod und Qualen in der Therapie machen verständlich, dass die Patienten nach allen Hilfestellungen suchen. Die Möglichkeit der Hyperthermie ist in den letzten Dekaden reichlich diskutiert worden. Die Ärzteschaft sollte hier Kompetenz zeigen und im Dialog aller Fachrichtungen der jeweiligen Tumorentität entsprechend das Bemühen um Prognoseverbesserung gemeinsam fördern. Die Patienten danken es, wie zahlreiche Umfragen und Erhebungen zeigen konnten. Inzwischen hat die Hyperthermie nach immer mehr Studien unter Beweis gestellt, dass sie längst keine alleinige komplementäre Therapie mehr ist, sondern einen wichtigen Bestandteil integrativer Konzepte darstellt. Die Erhöhung der Strahlensensibilität durch Hyperthermie ist sicherlich einer der unstrittigen Aspekte, diese Aussage zu belegen.

 

Es sind in Deutschland inzwischen fast flächendeckend Möglichkeiten vorhanden, Hyperthermie anzuwenden. Es sind über 200 ärztliche Einrichtungen ambulant und stationär verfügbar. Etwa 150 davon sind in Fachgesellschaften organisiert, der größte Teil davon in der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie e.V. Unabhängig von der noch fehlenden Einführung der Hyperthermie in die Grundversorgung, was durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wegen noch nicht ausreichender Belege der Wirksamkeit beschlossen worden war, ist der Erkenntnisgewinn erheblich fortgeschritten.

Die Daten, die im Jahr 2005 (!) den Einzug der Hyperthermie in die Grundversorgung verzögerten, waren im Jahrzehnt zuvor gesammelt worden. Im aktuellen deutschen Gesundheitssystem muss also ein Patient möglicherweise auf Kostenübernahme oder -erstattung verzichten, weil wir im Jahr 2017 das Wissen von vor über anderthalb Jahrzehnten zugrunde legen. Der Wissenszuwachs entwickelte sich rasant. Auch das ist ein Beweis für die ernstzunehmenden Aspekte und die Wissenschaftlichkeit dieser Therapieoption. Professor Bamberg formulierte schon 2007 auf der Pressekonferenz im Rahmen des Europäischen Hyperthermiekongresses (ESHO) in Prag:

 

Richtig angewendet kann man die Hyperthermie neben der Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie als vierte Säule der Krebsbehandlung betrachten. Gerade bei fortgeschrittenen Tumoren können wir mit der Hyperthermie in Kombination mit den anderen Verfahren erstaunliche Erfolge erzielen: Das Spektrum reicht von der signifikanten Verbesserung der Lebensqualität und der Lebensverlängerung bis hin zur vollständigen Heilung bei manchen Tumorarten.

 

Einblick in die methodische Vielfalt

Eine Therapieoption, die so viele Möglichkeiten bietet wie die Hyperthermie, findet nicht nur Befürworter. Doch die Zeiten, in denen nur historische Daten vorlagen und bestenfalls empirische Behandlungsprotokolle weitergegeben wurden, sind längst vorbei. Es ist daher für die Anwender ebenso wie für die zuweisenden Kollegen interessant zu wissen, welche Potenz in dieser Therapieoption zur Verbesserung der Prognose in allen Stadien der verschiedenen Krebserkrankungen, von der adjuvanten, ja sogar neoadjuvanten Therapie bis zum palliativen Einsatz, steckt.

 

Bedeutsam sind diese Zusammenhänge sowohl bei der Thermochemotherapie als auch bei dem Einsatz der Hyperthermie additiv zur Strahlentherapie. Aber auch bei Anwendung von komplementären Optionen gilt es, bestimmte Dinge zu berücksichtigen, wenn die Hyperthermie integriert werden soll. Die Möglichkeiten dieser bewährten und hilfreichen Therapieoption sollten vielen Therapeuten und deren Patienten zugänglich gemacht werden. Die alte und unbegründete Meinung der Kritiker: „Das bringt doch alles nichts“ ist ad absurdum zu führen. Dennoch ist nicht alles, was möglich ist, auch gut und hilfreich. Ebenso gilt es, Nachteile für die Patienten durch unglückliche Verknüpfung einzelner Therapieschritte zu vermeiden. Dazu wurden in den letzten beiden Jahrzehnten Qualitätsstandards entwickelt und Leitlinien durch die Fachgremien erstellt.

Die Erwärmung des menschlichen Körpers aus therapeutischen Überlegungen ist heute vielfältig möglich. Wir unterscheiden deshalb einmal nach der Form der Anwendung in lokale, regionale, Teilkörper- und Ganzkörperhyperthermie. Zudem unterscheidet man nach den technischen Aspekten. Innerhalb der Ganzkörperhyperthermie reicht das von der Kontaktwärme, von Infrarot-C- über -B- bis zur Infrarot-A-Strahlung, die die schonendste und physiologische Erwärmung des Organismus ermöglicht. In der lokalen bzw. regionalen Hyperthermie müssen physikalische Besonderheiten respektiert werden. Im Prinzip gilt: Je höher die Frequenz, desto oberflächlicher ist die Erwärmung möglich. Für tiefer liegende Gewebe sind demnach entweder niedrigere Frequenzen oder geeignete Antennensysteme notwendig. Dafür sind geprüfte Verfahren und die entsprechende Gerätetechnik vorhanden.

 

Anwendungsbeispiele

So kann man heute bei der lokalen Hyperthermie sowohl die Oberflächenhyperthermie (etwa bei Tumorrezidiv im Narbenbereich) anwenden als auch transkutan lokal in der Tiefe arbeiten. Die thermoablativen Verfahren bieten die Möglichkeiten dazu. So kann mit einem Laserstrahl bei Temperaturen bis 110 °C die Thermoablation etwa einer Leber-, Lungen- oder Knochenmetastase erfolgen. In der chirurgischen Routine befinden sich bereits Radiofrequenzablationen für ebendiese Lokalisationen. Bei der lokalen Hyperthermie, wie etwa bei der hyperthermen Lavage liegt die Zieltemperatur häufig bei 43 °C und bis zu 50 °C und darüber (in der Literatur bis 80 °C beschrieben), etwa bei der Prostatahyperthermie. Bei der regionalen Tiefenhyperthermie werden Temperaturen oberhalb von 42 °C angestrebt.

 

Bei der Ganzkörperhyperthermie unterscheidet man die milde und moderate Temperaturführung (Abb. 1) von der extremen. Dabei ist es wichtig, auch das Therapieziel zu formulieren. So sind seit den Arbeiten um SCHMIDT die immunologischen Aspekte in der Fachdiskussion gut verankert, die über REPASKY, BULL und GAIPL, um nur einige zu nennen, für die Ganzkörperhyperthermie und die Hyperthermie überhaupt, weitere wichtige Impulse und Erkenntnisse erfuhren. Die niedrigste Temperatur, die ich in der Literatur finden konnte, die für die direkte Tumorzellschädigung notwendig sei, wurde von OVERGAARD mit 41,5 °C angegeben, allerdings unter dem Aspekt einer Sensitivitätssteigerung durch Übersäuerung der Tumorgewebe. Dieses wurde bereits vorher durch VON ARDENNE gefunden und publiziert. Allgemein gilt aus heutiger Fachdiskussion, dass Temperaturen oberhalb von 42 °C für diese Effekte angestrebt werden sollten. Dabei kann zur Gewebedestabilisierung und direkten Zellschädigung postuliert werden, dass oberhalb 42,0 °C jedes Zehntel Grad der Temperatursteigerung bedeutsam ist. Deshalb entwickelten VON ARDENNE und sein Mitarbeiter STEINHAUSEN die klinische Routine so weit, dass in dieser Gruppe Temperaturen von 42,3 °C sicher angewendet werden konnten. Diese Daten wurden durch eine weitere Phase-I-Studie gestützt.

 

Abb. 1: Klassifikation der Temperaturlevel bei Ganzkörperhyperthermie

 

Nach klinischer Erprobung führte diese Therapieoption insbesondere im Prozedere der systemischen Krebs-Mehrschritt-Therapie, das heißt im synchronen Bemühen um Tumorübersäuerung und -oxygenierung (Thermosensitivität) zur Studie bei fortgeschrittenen Kolorektalkarzinomen an der Charité. Wegen des Zieles der Temperatureskalation entwickelten wenige Gruppen Ganzkörpertemperaturen bis über 43 °C. Es muss zur Bewertung solcher Temperaturen beachtet werden, dass diese nur sehr kurz realisierbar sind. Außerdem sollten die Arbeiten (VAUPEL) berücksichtigt werden, die möglicherweise die Zielgröße der Temperatur (Ausnahme Thermoablation) auf 42,5 °C limitieren (Adenosinanreicherung).

 

In die Möglichkeiten der regionalen Therapie werden heute auch die hypertherme Blasen-, Peritoneal- und Pleuralavage miteinbezogen. Dank technisch immer weiter ausgereifter Systeme können die Hyperthermieanwendungen in der modernen Humanmedizin sicher und zielgerichtet durchgeführt werden.

 

Hinsichtlich der Ganzkörperhyperthermie sind die Überlegungen von der Immunstimulation (Killerzellen) unter fiebernahen Anwendungen über die Arbeiten von BULL, die zum Teil mit fiebernaher Langzeithyperthermie (6 bis 8 Stunden) bei verschiedenen Tumorentitäten eine Verbesserung der Ansprechraten erreichen konnte, ebenso interessant wie der Beweis, dass unter extremer Ganzkörperhyperthermie das Ansprechen einer Polychemotherapie bei Pleuramesotheliomen effektiver ist. Diese Reihe von Beispielen sollte unbedingt mit der bereits zitierten Arbeit von WUST et al. bei kolorektalen Karzinomen fortgeführt werden.

 

Ein Wort zum Diskurs

Ein Artikel, der eine Einführung in die Hyperthermie zum Ziel hat und über die Methode informieren soll, kann unmöglich dem Anspruch gerecht werden, umfassend und lückenlos die verschiedenen Formen der Hyperthermieanwendungen darzustellen. Es ist jedoch wichtig, diese bedeutsame Therapieoption näher zu erklären – und für deren vielfältige Therapiemöglichkeiten zu sensibilisieren. Die häufig emotional geführten Diskussionen auch nach erfolgreich abgeschlossenen Studien zeigen immer wieder den hohen Bedarf an Gedankenaustausch innerhalb der Fachwelt. Es verwundert den mit der Hyperthermie erfahrenen Kollegen schon, wenn mit Halbwissen Diskussionen geführt werden. Vielmehr sollte sich doch an den vorhandenen Studien orientiert werden. Es müssen Fragen aufgegriffen und die Möglichkeiten meist sanfter additiver Einflussnahme im Interesse der Betroffenen genutzt werden. Dass daraus weitere Fragen entstehen, ist der Wissenschaft geschuldet. Diese zu beantworten ist das Gebot der Zeit. Unstrittig sind unverändert viele Untersuchungen aus der Grundlagenforschung und später vor allem aus klinischen Studien erforderlich.

 

Einem derzeitig Betroffenen das heute aktuelle Wissen jedoch vorzuenthalten, ist bei der vorhandenen Datenlage nahezu fahrlässig. Hinsichtlich der regionalen Therapie waren in den letzten anderthalb Jahrzehnten eindrucksvolle Ergebnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Wertigkeit und unterschiedlicher Entitäten publiziert worden. Für die Patienten und diverse Krebsformen dürften die nachfolgend gelisteten Untersuchungen Anlass zur weiteren Erforschung und Hoffnung auf Einflussnahme durch die Option Hyperthermie gegeben sein.

 

  • Die Einflussnahme regionaler Tiefenhyperthermie durch Geräte mit kapazitiver Koppelung (8 – 13,56 MHz) bei Hirntumoren
  • Hyperthermie mit BSD-Technik bei Weichteilsarkomen
  • Regionale Hyperthermie mit BSD-Technik und kapazitiver Koppelung bei Pankreaskarzinomen
  • Regionale Tiefenhyperthermie und Strahlentherapie bei Zervixkarzinomen
  • Hyperthermie bei Brustwandrezidiven

 

Künftige Forschungsschwerpunkte

Verfolgt man die Fachdiskussion aufmerksam, so wird deutlich, dass zahlreiche mögliche Synergismen noch längst nicht genutzt wurden. So zeigen die Studien von ISSELS die Überlegenheit, wenn Hyperthermie in die Behandlung der Weichteilsarkome eingebunden wird. Da Sarkome aber häufig metastasieren, wäre eine systemische, also Ganzkörperhyperthermie, unbedingt zu prüfen.

 

Ein wichtiges Kriterium der Hyperthermieanwendung in der Onkologie ist die Temperaturhöhe. Da diese Temperatur bei Nutzung der Ganzkörperhyperthermie sehr homogen und unstrittig sehr einfach zu messen ist, liegt es nahe, dass die Ergebnisse noch besser werden könnten, wenn die extreme Ganzkörperhyperthermie häufiger als bisher in die Therapiestrategien eingebunden würde.

 

Aspekte auf mögliche vagabundierende Tumorzellen und Mikrometastasen dürften eine weitere zu fördernde Diskussionsgrundlage bilden. Ähnliche Gedanken spielen bei der Intensivierung der Bemühungen um Prognoseverbesserung bei den Pankreaskarzinomen eine Rolle. Gerade bei dieser Tumorentität dürfte die Frage der ausreichenden Gewebetemperatur in der Tiefe des Abdomens eine Rolle spielen. Hier könnten sogenannte Hybridsysteme vielleicht eine zukünftige Option sein. So ist es denkbar, dass die regionale mit der Ganzkörperhyperthermie kombiniert werden sollte. Es ist sicherlich nicht unbedeutend, ob die Erwärmung einer Region bei durchschnittlichen 36,6 °C eines Patienten beginnt oder nach Ganzkörperhyperthermie, etwa im milden bis moderaten Temperaturbereich bereits bei 38,5 °C. Die ungefährliche und nur gering oder nicht belastende Ganzkörperhyperthermie in diesem Temperaturniveau könnte den regionalen Therapien vorgeschaltet werden. Auch die Steigerung immunologischer Phänomene dürfte sich günstig auf die angestrebten Ergebnisse auswirken.

 

Zusammenfassung

Über die Thematik Hyperthermie gibt es zunehmend mehr wissenschaftliche Arbeiten. Von der Grundlagenforschung bis zur klinischen Studie sind alle Ebenen wissenschaftlicher Arbeit beschrieben. Umfassende Arbeiten zu Synergien mit verschiedenen Zytostatika und der strahlensensibilisierenden Wirkung ebneten den Weg in die klinische Routine. Die vorliegenden Studien mit positiven Ergebnissen für die Patienten machen Mut, weitere folgen zu lassen.

 

Autor:

Dr. med. Dipl.-Med. Holger Wehner

gisunt® Klinik, Internationales Hyperthermie-Zentrum

Mühlenweg 144, 26384 Wilhelmshaven

E-Mail: info@gisunt.de, www.gisunt-klinik.de

 

Literatur bei der Wissenschaftsredaktion des Forum-Medizin Verlags:

medwiss@forum-medizin.de

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