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Kommentar zur Entwicklung der modernen Onkologie

Hyperthermie – Von der komplementärmedizinischen Anwendung zur 4. Säule einer modernen Krebstherapie

 

Erstveröffentlicht in: Die Naturheilkunde – Komplementäre u. konv. Onkologie

Gastbeitrag von Dr. Wilfried Stücker

 

Ärzte und Therapeuten mit einem wahrhaftigen Blick für die Belange der sich ihnen anvertrauenden onkologischen Patienten sind stets auf der Suche nach Möglichkeiten, um die Prognose der Erkrankten zu verbessern. Dementsprechend ist es auch überhaupt nicht verwunderlich, dass die Gründer der ersten deutschen Fachgesellschaft für Hyperthermie ausschließlich aus dem Lager der damals sogenannten Komplementärmedizin kamen – leider, muss man sagen, denn Vertreter der konventionellen Onkologie haben sich in den ersten Tagen der Fachgesellschaft für Hyperthermie noch nicht ausreichend für die Methode erwärmen können. Die Gründungsmitglieder erkannten damals, vor nunmehr anderthalb Jahrzehnten im Jahr 1996, dass es auch aus diesem Grunde zwingend notwendig sei, eine Fachgesellschaft aus der Taufe zu heben, damit eine maximale wissenschaftliche Begleitung möglich wird [Douwes, Hager, Konrad, Meyer, Steinhausen, von Ardenne, Wehner u. a.].

 

Hätte die deutsche Gesundheitspolitik und -wirtschaft nur ein wenig mehr Ohr für diese Visionäre gehabt, so hätte es in den letzten 16 Jahren bereits deutlich weniger Patientenleid und dafür mehr Studienimpulse bei weniger beruflichen Streitigkeiten gegeben.

 

Nehmen wir die heutigen onkologischen Patienten in den Fokus unserer Betrachtung, so werden diesbezüglich ganz neue Aspekte sichtbar. Dank moderner Verfahren, weiterentwickelter zytostatischer Chemotherapeutika und Antikörper – vor allem aber durch kluge integrative Konzepte mit nutzbar gemachten Optionen der Hyperthermie – werden Überlebenszeiten generiert, die nun ihrerseits wiederum neue Probleme bewirken, so etwa sekundäre Schäden durch die allopathische Standardtherapie bei überdurchschnittlichen Überlebenszeiten.

 

Zu den lebensverlängernden Methoden aus dem Bereich der Hyperthermie gehören strategische Überlegungen wie die Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle, etwa durch die Hypertherme Perfusionschemotherapie [Aigner; 17, 18], Laserinduzierte Thermotherapie, die ebenfalls eine lokale Hyperthermie mit Temperaturen oberhalb von 80 °C darstellt [Vogl; 1, 10]. Aber auch weitere Anwendungen wie etwa die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT, auch Radioembolisation genannt [Grober; 2]) oder die Transarterielle Chemoembolisation (TACE) [Vogl; 3, 19]) haben hieran einen bedeutenden Anteil.

 

Das Anwendungsfeld der Hyperthermie ist dabei sehr weitläufig. Es erstreckt sich von der Immunstimulation [Schmidt; 4] und der Entgiftung [Meyn; 5] beim Kampf gegen die strahlen- und / oder chemotherapieinduzierte Immunkompromittierung über das Fatique-Syndrom, reicht von der lokalen über die regionale bis hin zur Ganzkörperanwendung und ist medizinisch sowohl in der adjuvanten als auch in der palliativen Therapie anzuraten. Auch wenn sie in der Diskussion allzu oft sinnloserweise durch falsche Eitelkeiten oder gar Unwissenheit diffamiert wurde: die Hyperthermie setzte sich dennoch konsequent durch.

 

Es ist der Visionär, der das Einsatzfeld ständig erweitert und durch gute Studien Bestätigung sucht und findet und damit unbewusst den stillen wissenschaftlichen Fortschritt initiiert. Und es ist der Skeptiker, der, sofern er es zulässt, von überraschenden Ergebnissen überzeugt wird, und der durch sein kritisches Hinterfragen das Bewusstsein fördert, dass eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung nicht nur hilfreich, sondern über alle Maße notwendig ist.

 

So verfügen wir heute nicht nur über das Wissen, dass die extreme Ganzkörperhyperthermie nach den vorliegenden Daten in durchschnittlich 65 % der Fälle ein Ansprechen bedingen kann – dies gilt selbst bei konventionell unkontrollierbarer Tumorprogression [von Ardenne; Yokoyama; 15, 6] – sondern darüber hinaus haben wir auch Kenntnis von den Möglichkeiten des additiven Einsatzes zur Chemotherapie [Seegenschmidt; 7, 8] oder zu Strahlentherapie [Streffert, van der Zee; 9]. Für das kolorektale Karzinom im Stadium der Progression konnte der Beweis erbracht werden, dass Patienten selbst im Versagensfall einer erneuten Chemotherapie von der extremen Ganzkörperhyperthermie im Rahmen des Prozederes der systemischen Krebs-Mehrschritt-Therapie profitieren [Wust; 14, 15, 16]. In jüngeren Studien wurde unstrittig der Sinn eines Einsatzes etwa bei Brustwandrezidiven [Jones; 11] dargestellt.

 

Es ist im Sinne der Betroffenen, dass die Möglichkeiten der Hyperthermie ausgebaut werden. Hierfür sind immer wieder visionäre und mutige Kollegen gefragt, die in der Lage sind, überlieferte und eigene Erfahrungen mit dem erlernten Wissen und paralleler Gedankenansätze zu kumulieren, statt nur in die Leitlinien zu schauen und in vorgegebenen Bahnen zu denken. Aus guten Behandlungsverläufen und der Kenntnis empirischer Daten heraus entsteht das Bemühen, die günstigen Verläufe zu reproduzieren. Im positiven Falle ist dann schon die Studie gefragt und sollte auch initiiert werden. Deshalb ist es so wichtig, nicht müde zu werden, die zunehmende Anzahl an wissenschaftlichen Beweisen auf dem Gebiet der Hyperthermie zu verinnerlichen und weitere einzufordern – aber auch und insbesondere sie den sich anvertrauenden Patienten verfügbar zu machen! Anders wird eine nachhaltige Entwicklung zum Wohle der Patienten nicht möglich sein.

 

Insofern sollten auch bekannte und definierte Hemmnisse überprüft werden. Dazu gehören Industriediktate ebenso wie menschenfeindliche bürokratische Hürden und Maßregelungen, die mit Sachverstand wenig zu tun haben. Wir brauchen mutige Patienten und Ärzte sowie menschlich willige Kostenerstatter, wir brauchen denkende Richter, die nicht nur Gutachten gegeneinander abwägen, sondern vom Leid der Betroffenen geleitet bereit sind, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen [Schimmelpfennig]. Anderenfalls wird das posaunte Bestreben um die bestmögliche Behandlung zur Farce. Dann sollten Versicherungen und Kassen lieber ehrlich mit den Versicherten umgehen, aber nicht die vermeintliche Unwissenschaftlichkeit als Deckmantel für nüchterne Kostenersparnis nutzen. Gerade in der Onkologie sind doch aufgrund begrenzter Zeitachsen pragmatische Entscheidungen bei allen Beteiligten erforderlich. Und gerade die Hyperthermie bietet hier auch in späten palliativen Stadien Chancen, Einfluss zu nehmen, Lebensqualität zu erhalten oder gar zu verbessern und Behandlungskonzepte zu ermöglichen, die eine lebenswerte Lebensverlängerung ermöglichen [Bamberg; 29]. Auch nicht mehr ganz aktuelle, lange belächelte aber wissenschaftlich gut untersuchte Protokolle, etwa in der milden Ganzkörperhyperthermie zu Chemotherapien und Zytokinen, konnten diese Sichtweise untermauern [Bull; 23, 24] und bestätigen diese Argumentation.

 

Nicht nur der komplementäronkologisch tätige Therapeut wünscht sich den Erhalt der Therapie- und Methodenfreiheit; vor allem der moderne informierte Patient weiß seine Entscheidungshoheit gerne gesichert. Die Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie e.V. (DGHT) und die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH) der Deutschen Krebsgesellschaft bieten ausreichende Plattformen, um sich wissenschaftlich fundiert mit der Hyperthermie im Kampf um immer bessere Ergebnisse für unsere Patienten zu beschäftigen. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und tragen Sie dazu bei, die Hyperthermie als 4. Säule in der Krebstherapie künftig dauerhaft zu verankern.

 

Literatur

 

[1] Vogl T, Lehnert T, Eichler K, Proschek D, Floter J, Mack M: Adrenal metastases: CT-guided and MR-thermometrycontrolled laser-induced interstitinal thermotherapy. Eur Radiol 2007; 17:2020-2027

 

[2] Grober OS, Nultsch M, Laatz K et al.: Radioembolization with (90)Y-labeled microspheres: post-therapeutic therapy validation with Bremsstrahlung-SPECT. Med.Phys 2011; 21:274-280

 

[3] Vogl TJ, Zangos S, Eichler K, Gruber-Rouh T, Hammerstingl RM, Trojan J, Weisser P: Radiological Diagnosis and Intervention of Cholangiocarcinomas (CC). Rofo 2012; 184(10):883-92

 

Weitere Quellenangaben [4 bis 29] in der Wissenschaftsredaktion beim Forum-Medizin-Verlag. Kontakt über: sekretariat@forum-medizin.de

 

Autor:

Dr. med. Dipl.-Med. Holger Wehner

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