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Die Naturheilkunde 6/2014: Komplementärmedizin kann Lebensqualität verbessern

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Prospektive Erhebung zur Lebensqualität –

Komplementärmedizin kann Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern

 

Holger Wehner, Wilfried Wehner, Sieghart Kaltofen, Martina Wehner

 

Im Jahr 2012 erkrankten in Europa 3,45 Millionen Menschen an Krebs, der in 28 von 53 Staaten die Todesfälle an Herz- und Gefäßkrankheiten überholte.1 Das Europäische Parlament in Straßburg verabschiedete inzwischen „The European Cancer Patient’s Bill of Rights“, in dessen Artikel 3 jedem europäischen Bürger das Recht auf eine bezahlbare Therapie, bestmögliche Behandlungsergebnisse, Rehabilitation und, besonders erwähnenswert, Lebensqualität zugesichert wird. Letztere entwickelte sich nach der Überlebenszeit seit Jahrzehnten unbestritten und mit allgemeiner Zustimmung zum wichtigsten Behandlungsziel für Krebspatienten. Th. Küchler, Leiter des Referenzzentrums Lebensqualität in der Onkologie (gefördert durch die Deutsche Krebshilfe), verdanken wir mit den Koautoren H. Flechtner und P. Herschbach die im Jahr 2000 veröffentlichte Grundsatzarbeit „Zum Stand der Lebensqualitätsmessung in der Onkologie“.2 Schon damals existierten rund 20.000 Publikationen zu diesem Thema.

 

Von den verschiedenen Aspekten der Lebensqualität (philosophisch, politisch, ökonomisch, sozialwissenschaftlich) interessiert uns bei unseren Patienten der medizinische, the health related quality of life. Von allen denkbaren Definitionsversuchen hat sich bis heute noch keiner allgemein durchgesetzt. Aber wir können uns an der bekanntesten Erklärung von Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren: „Health is a state of complete physical, mental and social wellbeing and not merely the absence of disease or infirmity.“ („Gesundheit ist ein Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“).

Innerhalb der Europäischen Multinationalen Organisation zur Erforschung von Tumorleiden (EORTC) 3 wurde ein geeigneter Fragebogen entwickelt und damit eine Möglichkeit geschaffen, subjektive Empfindungen weitestgehend zu objektivieren und mit Aussagen anderer Patienten vergleichbar zu machen. Seit langem haben wir zur Erfassung der Lebensqualität vor und nach bestimmten Behandlungen den Fragebogen EORTC QLQ-C30 in der Version 1.1 verwendet und wechselten jetzt auf die aktuelle Version 3.0. Damit liegt ein erprobtes Werkzeug in unserer Hand, um beispielsweise Auswirkungen bestimmter Maßnahmen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität systematisch darstellen und vergleichen zu können. Uns interessierten nun die Ergebnisse.

Bevor wir die erhobenen Daten schriftlich auswerten, wollten wir wissenschaftlich exakt eine prospektive Erfassung vornehmen. Ziel war es zu erfahren, ob unsere multimodalen Konzepte im Bemühen um Prognoseverbesserung gerechtfertigt sind. Natürlich sind prospektive randomisierte Studien erforderlich. Für die tägliche Routine können diese jedoch nicht abgewartet werden. Die sich uns anvertrauenden Patienten sind heute in größter Not und wollen neben einer Maximaltherapie menschliche Zuwendung und suchen Hoffnung, ohne Gefahr zu laufen, Scharlatanen anheim zu fallen. Sie suchen medizinische Kompetenz und menschliche Wärme, Verständnis für ihre Ausnahmesituation und möchten nicht täglich die schlechte Prognose vorgebetet bekommen. Deshalb ist es eine hohe Verantwortung des Arztes, Hoffnung zu machen, ohne Luftschlösser zu bauen und den Ernst der Prognose nur zu bemühen, um die Anstrengungen zu begründen, die Indikation für das Tun zu definieren.

 

Durchführung der prospektiven Erhebung

Ohne Auswahlbeschränkung baten wir über 7 Monate (01.06.2013 bis 31.12.2013) fortlaufend alle stationär oder ambulant in der gisunt® Klinik für integrative Medizin zur Behandlung anwesenden Patienten höchstens einmal monatlich um die anonyme Ausfüllung des definierten Lebensqualitätsfragebogens. Der Fragebogen wurde vom Arzt vor Therapiebeginn übergeben und auf Wunsch gern erläutert, um dem Verständnis zwischen Behandler und Patient (Compliance) dienlich zu sein. Bei Behandlungen in einem neuen Monat wurde um erneutes Ausfüllen gebeten und ein früher ausgefüllter Fragebogen höchstens danach zum Vergleich gezeigt. Wenn nach einer besonderen Therapie – beispielsweise einer systemischen Krebsmehrschritttherapie (sKMT) nach Manfred von Ardenne – eine Therapiepause vereinbart worden war, wurde im Freiumschlag ein Fragebogen mitgegeben, um nach 4 Wochen nochmals zu berichten. Obwohl immer über die Bedeutung der Mitarbeit des Patienten und das Interesse an seiner absolut subjektiven Lebensqualität deutlich gesprochen wurde, gab es nicht den geringsten Druck, sondern volle Freizügigkeit. Das belegen in diesen sieben Monaten je fünf Männer und Frauen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht beteiligten.

Die meisten Defizite erlebten wir im ersten Beobachtungsmonat, die wir wohl unserer Einarbeitungszeit für diese exakte prospektive Beobachtung zuschreiben müssen, denn mit der Materie waren wir seit Jahren vertraut. Offenbar war niemand unter den Patienten, dessen Vertrauen in die garantierte Anonymität gestört war. Von acht Männern und neun Frauen entstanden im genannten, willkürlich gewählten Zeitraum keine Vergleichsfragebögen. Somit rekrutierten wir verwertbar mindestens zwei bis maximal sechs Lebensqualitätsfragebögen von 51 Patienten, von denen 21 männlich und 30 weiblich waren. Keiner beklagte sich über diese Bürokratie, zumal es trotz Gründlichkeit nur 10 bis 20 Minuten in Anspruch nahm. Die meisten freuten sich über unser Interesse und kannten es aus ihren Behandlungszeiträumen vor dieser prospektiven Erhebung.

Weil gegenwärtig allerorten über Qualitätssicherung diskutiert wird, verstanden die meisten der von uns befragten Patienten die Fragebögen als unseren Beitrag dazu. Die Erfahrung der aktuellen wissenschaftlichen Aktion lehrte uns, dass viele Befragte bedauerten, dass sie bei den ersten sieben Fragen der früheren Version nur zwischen ja und nein entscheiden konnten.

 

Standardisierte Fragebögen

Die Version 3.0 des Fragebogens ermöglicht bei allen 28 Fragen zur Symptomatik durchgängig die Abstufung von „überhaupt nicht“ über „wenig“ und „mäßig“ bis „sehr“. Im Abschnitt der typischen Symptome wie Fatigue, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, gastrointestinale und Schlafstörungen, Kurzatmigkeit usw. ist Bewährtes erhalten worden.

Die Kürzung um drei Fragen am Ende der Einschätzung ist sinnvoll. Besonders begrüßenswert ist die Reduzierung der letzten drei Fragen zum körperlichen Zustand, Gesundheitszustand und zur Lebensqualität insgesamt auf zwei (nicht mehr Gesundheitszustand). Die Unterschiede waren bei vielen Rückfragen schon schwieriger erklärbar. In der neuen Version steigt die Aussagekraft, weil beide Fragen für den Laien klarer abgrenzbar sind. Die Zahl der uns vorliegenden Fragebögen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität von 51 Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten und individuellen Behandlungen ist für eine zuverlässige statistische Aussage selbstverständlich zu klein. Dennoch belegen diese eine Reihe von wertvollen Aussagen. Über einige möchten wir berichten.

 

Patienten

Für die Auswertung haben wir die Ziffern über den Bewertungsspalten der ersten 30 Fragen addiert. Sie reichen in der älteren Version von 30 bis 106, in der neueren von 28 bis 112. Dabei gilt, je niedriger die Summe ist, desto besser die Qualität. Umgekehrt verhält sich der dritte Abschnitt. In der älteren Version mit drei Fragen und sieben Antwortmöglichkeiten reicht die Summe von sehr schlecht (3) bis optimal (21), in der neueren Version mit zwei Fragen somit von 2 bis 14. Unsere größte Gruppe betrifft 19 gynäkologische Karzinome (14mal Brustkrebs, dreimal Ovarialkarzinom und zweimal Gebärmutterkrebs im Gebärmutterhalsbereich, siehe Tabelle 1) in verschiedenen Stadien. Bei fünf Patientinnen, die (teilweise) bereits wieder im Berufsleben standen, blieben die Befunde bei der gewünschten Behandlung stabil, entsprechend zeigte sich auch die dokumentierte Lebensqualität. Bei sieben Frauen wurden Behandlungserfolge von sinkenden Symptomenzahlen und entsprechend steigenden Einschätzungen des körperlichen Zustands und der Lebensqualität auf der Skala von eins bis sieben begleitet. Bei zwei Frauen mussten wir auf das Gegenteil reagieren. Es gibt aber vier Patientinnen, bei denen ganz offensichtlich durch Alter und /oder Begleitkrankheiten die Symptomenpunkte (teils leicht) anstiegen, während durch gute Betreuung die Zufriedenheit in der Lebensqualitätseinschätzung auch zum Anstieg führte. Eine Patientin kämpfte über den gesamten Beobachtungszeitraum mit verschiedenen Komplikationen, was sich auch im jeweiligen Verlauf der monatlich ausgefüllten Fragebögen widerspiegelte.

 

Wenden wir uns der Gruppe von neun Männern mit Prostatakarzinom und einem mit Hodenkrebs zu (Tabelle 2). Viermal korrelierten stabile Verhältnisse mit sehr guter Lebensqualität, während aber zwei Männer trotz Punktgleichheit bei den Symptomen die Lebensqualität verbal kritisierten, was Erklärungen fand. Bei drei Patienten mit objektiv erfolgreicher Behandlung sanken die Symptomenwerte und stiegen die der subjektiven Selbsteinschätzung. Bei zwei weiteren verschlechterten sich die Symptome, und die Beurteilung der Lebensqualität sank. Bei dem 10. Patienten im Spätzustand nach Operation, Bestrahlung und weiteren Maßnahmen war der Verlauf der Komplikationen angepasst wellenförmig.

 

16 weitere Krebskranke (10 Männer und 6 Frauen), deren diagnostische Zuordnung die Tabelle 3 angibt, verhielten sich hinsichtlich objektiver Befunde und Lebensqualität ganz ähnlich. In dem für ein Krebsleiden kurzen Zeitraum beobachteten wir siebenmal eine stabile Symptomatik und Lebensqualität (alle an Panmyelophthise nach Chemotherapie oder an Lymphogranulomatose Leidenden, zwei der an als arbeitsbedingter Berufskrankheit anerkannten Pleuramesotheliome und zwei weitere). Erwartungsgemäß war viermal zunehmende Symptomatik mit abnehmender Lebensqualität verknüpft und dreimal umgekehrt. Verbleiben zwei Patienten, bei denen trotz Zunahme der Symptome die subjektive Lebensqualitätseinschätzung anstieg, was eine adaptierte best-supportive-care als hilfreich begründet. In demselben Zeitraum waren fast beiläufig 5 nicht onkologisch chronisch Kranke (Tabelle 4) erfasst worden. Auch hierbei zeigte sich bei durchgehend günstiger Behandlungsprognose paralleles Verhalten, die Symptome minderten sich – die Lebensqualität stieg. Bei einer psychisch gestörten Patientin erfolgten die Einschätzungen der Lebensqualität von uns nicht immer nachvollziehbar abgekoppelt. In diesem Falle gelten demnach andere Maßstäbe.

 

Diskussion der Datenerhebung

Bei der umfassenden Ergebnisauswertung wurde uns die Komplexität des Themas immer mehr bewusst, zum Beispiel Hofstätters Zufriedenheitsformel: individuelle Zufriedenheit = Bewertung dessen, was einer hat ÷ seine Erwartung. Mit unseren Fragebogenergebnissen nähern wir uns im Rahmen des Zuverlässigkeitsausmaßes der Lebensqualität. Vergleichsweise dürfen wir auf Umstände bei der Intelligenzmessung verweisen.

Eine weitere Erkenntnis im Zusammenhang mit der Chance steigender Lebenserwartung gewinnt an Bedeutung. Die meisten Patienten wissen um ausgereiftere Technik bei Operationen und Bestrahlungen und Fortschritte bei Medikamenten. Sie fragen sich aber, ob sie sich nach der Behandlung insgesamt besser fühlen. Radikaleres Vorgehen verbindet sich nicht selten mit entsprechenden Nebenwirkungen. Toleriert der Betagte bestimmte Therapien ähnlich gut? Will er eine solche Belastung riskieren? Beispielgebend verweisen wir dazu auf eine Medizinische Dissertation des Jahres 2002 von Alexander Peters aus der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zum Thema „Lebensqualität und Akuttoxizität im Rahmen einer Radiotherapie unter Berücksichtigung von Alter, Behandlungsregion und anderen Faktoren“. Dabei zog er die Altersgrenze bei 70 Jahren. Das Lesen der Ergebnisse ist für diese Zusammenhänge lohnenswert.

 

Ergebnisse

 

Zur besseren Übersicht wurden die erhobenen Daten abstrahiert. Damit eine Aussage getroffen werden kann, ob komplementäre Maßnahmen multimodaler Konzepte für die Betroffenen hilfreich und somit zu empfehlen sind, müsste wenigstens der Beweis erbracht werden, dass zumindest einige der Patienten, die im Stadium konventionell unkontrollierbarer Tumorprogression behandelt werden, reproduzierbar die Verbesserung der Lebensqualität wahrnehmen können. In den Tabellen 1 und 2 sind zwei Patientengruppen dargestellt, die mit 19 bzw. 10 Patienten eine erste Auswertung zulassen. Dabei betrachten wir in der Bewertung Symptome und Lebensqualität gemeinsam. In der Gruppe der gynäkologischen Karzinome fanden wir 12 von 19 Patientinnen (Tab. 1, Zeile 1 und 2) mit Stabilität oder Verbesserung der Symptome bei guter Lebensqualität. Eine Patientin von 19 gab wechselnde Änderungsrichtungen bei Symptomen und Lebensqualität (jeweils gleichsinnig) an, und bei 6 von 19 (Tab. 1, Zeilen 3 und 4) fanden sich bei 2 Patientinnen Verschlechterungen bei Symptomen und Lebensqualität und bei 4 zwar eine Symptomverschlechterung, jedoch wurde hier eine leichte Lebensqualitätsverbesserung dokumentiert.

 

In der Gruppe mit Prostata- und Hodenkrebs fanden wir 5 von 10 Patienten (Tab. 2, Zeile 1 und 3) mit Stabilität oder Verbesserung der Symptome bei guter Lebensqualität, 3 von 10 (Tab. 2, Zeilen 2 und 5) dokumentierten stabile Symptome bei Lebensqualitätsverschlechterung (2) oder wechselnde Symptome und Lebensqualität (1), und bei 2 Patienten von 10 ergaben sich bei Symptomen und teils auch bei der Lebensqualität Verschlechterungen.

 

Somit kann konstatiert werden, dass die Integration von komplementärmedizinischen Methoden eindeutig der Verbesserung der Lebensqualität dient, denn über die Hälfte der Betroffenen musste sich nicht der automatischen Zustandsverschlechterung infolge Fortschreitens der Erkrankung, notwendiger nebenwirkungsbehafteter Therapien oder der Alterungsprozesse fügen.

 

Zusammenfassung

 

Die einfachste Form wissenschaftlicher Arbeit, das Beobachten, ist im Zusammenhang mit standardisierter Dokumentation geeignet, erste Analysen zuzulassen. Die Ergebnisse der Lebensqualitätserfassung zeigen, dass es sinnvoll ist, komplementärmedizinische Maßnahmen in die Behandlung von Krebspatienten zu integrieren. Gleichzeitig stellt sich bei Auswertung unserer Erhebung dar, dass die Erfassung von Symptomen und Befinden nicht nur die Patientencompliance fördert, sondern den Betroffenen ganz bewusst in die Verantwortung für die Therapie einbezieht. Die ärztlichen und therapeutischen Anstrengungen werden hinsichtlich des Erreichbaren für die Patienten transparent.

 

Unsere Ergebnisse lassen die Empfehlung zu, die Erhebung der Lebensqualität routinemäßig durchzuführen. Sie dient der Qualitätskontrolle und fördert das gemeinsame Bemühen um bessere Ergebnisse.

 

Autoren:

Dr. med. Dipl.-Med. Holger Wehner, Chefarzt und Ärztl. Direktor der gisunt®-Klinik

für integrative Medizin, Professur am Lehrstuhl für integrative Medizin (Moskau)

Prof. Dr. med. habil. Wilfried Wehner, Facharzt f. Chirurgie,

Direktor f. klinische Forschung

Dr. rer. nat. Sieghart Kaltofen, Dresden

Dipl.-Med. Martina Wehner,

Fachärztin f. Allgemeinmedizin, TCM, Akupunktur

Korrespondenzadresse:

gisunt ® Klinik für integrative Medizin, Internationales Hyperthermiezentrum

Mühlenweg 144, 26384 Wilhelmshaven

Tel.: 04421-77414-0, E-Mail: patient@gisunt.de

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