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Die Naturheilkunde 3/2009: Naturheilkunde im Fokus des gesundheitspolitischen Umbruchs Perspektiven und Nöte

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Naturheilkunde im Fokus des gesundheitspolitischen Umbruchs – Perspektiven und Nöte

Holger Wehner

 

Sehr geehrte Leser,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die eigentlich schöne Arbeit unseres ärztlichen Alltags hat sich in schwere, frustrierende Stunden der Perspektivlosigkeit gewandelt. KVen und Ärztekammern ist es nicht gelungen, unseren Berufsstand zu schützen. Im Kleinkrieg wurden Energien verbraucht, Kräfte verzehrt und Gelder vernichtet. Knapp über 30 Euro für ein Quartal hausärztlicher Betreuung ist ein skandalöser Hohn und eine sklavische Missachtung der Menschen- und Berufswürde jener, die bereit sind, mehr zu geben als mancher Priester. Ein Ärzte-Exodus und ein berufsfremdes Arbeiten rütteln hier noch keinen wach, erst recht nicht unsere Gesundheitsministerin. Der Vorschlag einiger Politiker, die Praxisgebühr auf 25 Euro anzuheben, wäre zu überdenken: Würden die Kassen noch 15 Euro darauf legen, wäre wahrscheinlich jeder Arzt bei direktem Erhalt der 40 Euro – gerne gegen Quittung zur Wiedererlangung bei der Krankenkasse – sehr einverstanden: Damit ließe sich direkt planen und kalkulieren. Man würde auch die zwischengeschaltete KV nicht mehr benötigen.

 

Seit 2 Jahrzehnten hat diese nichts anderes zu bieten, als durch Honorarverteilungskapriolen, ständig neue EBM und Gebührenziffern ihren Brötchengebern das Leben schwer zu machen. Dabei sind sie selbst nicht an schwankende Punktwerte gekoppelt und können die Mitarbeiter schön nach Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlen. Die Praxen werden geradezu stimuliert, Fehler zu produzieren, da kaum eine Arzthelferin noch in der Lage sein dürfte, all den Müll für den erschöpften Chef/in umzusetzen.

 

Kann noch ein Kassenarzt die einflutende KV-Post bearbeiten? Da die Kassen die Refinanzierung über Regresse entdeckt und die KV-Seite in den Prüfgremien das Verständnis für die Kollegen und deren Begründungen bei Regressansinnen gänzlich verloren haben, muss diese Frage wohl verneint werden. Neben allen bedrohenden Aspekten auch noch Regresse begleichen und natürlich die medikamentöse Versorgung der Patienten sicherstellen zu müssen, kann wirklich nicht Aufgabe des Neuzeitsklaven Arzt in Deutschland sein! Eine Beurteilung der Leistung durch die Kassen würde der Gängelung noch das I-Tüpfelchen aufsetzen, haben wir uns doch schon artig der Klippschulen-Fortbildung unterworfen.

 

Hier kann ja nun bald kräftig Honorar gespart werden, sollte es eine vielleicht allein erziehende Ärztin doch zu oft vorgezogen haben, sich am Wochenende ihrem Kind zu widmen statt psalmenartigen Darbietungen der Kollegen. Würde die Pilotengewerk schaft für die Ärzte in Vergütungsforderungen gehen und wie damals den internationalen Vergleich anstreben, dann müssen die Ärzte eine Lohn- und Vergütungserhöhung von über 100 Prozent einfordern. Gesellschaftliches Verständnis wäre hier aber wohl nicht zu erwarten. Dennoch: Zerrieben zwischen Patientenforderung und Kassengängelung, geprügelt von der KV, wundern sich jetzt alle, dass der liebe Onkel Doktor oder die liebe Frau Doktor frustriert sind? Ich hoffe doch nicht wirklich!

 

Erinnern Sie sich noch an die guten alten Zeiten als das Rezept noch etwas galt? Heute schreiben Sie Begründungen für das Rezept, Gutachten für die geplante Therapie und Einsprüche für eventuelle Nachsorgeprogramme und Rehabilitationen. Vom Gericht bis zum Rentenversicherungsträger, vom Physiotherapeuten bis zum Spezialversorger (Stomatherapeut, Ernährungsexperte, Wundmanager) wollen und brauchen alle etwas von Ihnen, häufig einen Eintrag auf einem Formular, der schon lange nicht mehr den wirklichen Gegebenheiten entspricht, aber Voraussetzung für eine Abrechnung ist. Oder einen Antrag, damit all die „Leistungsanbieter“ von Ihnen profitieren können, nur Sie, der Arzt, der hat nur zu funktionieren und nicht zu partizipieren! Die Ungerechtigkeit nimmt in einem erschreckenden Ausmaß zu und wir entfernen uns politisch gewollt von einem gerechten, leistungsorientierten Gesundheitssystem. Allen wird Glauben gemacht, dass durch immer undurchsichtigere Abrechnungsmodalitäten, im Sumpf hinter Nummern und Verordnungen, Geld zu finden sei, womit das System entlastet werden könnte. Vor allem die armen Kassenärzte in der Niederlassung haben nur noch wenig von ihrem eigentlichen Beruf.

 

Wieso, frage ich, lassen wir uns das gefallen? Können wir alle nicht mehr zusammenrücken und diesem Krebsgeschwür des Gesundheitswesens, mit seinen schizophrenen Vorgaben, wirkungsvoll begegnen? Was nützen ethische Beschwörungen, dass wir nicht streiken dürfen, wenn die Lage sich dergestalt zuspitzt? Wir erreichen den Punkt, an dem es nicht mehr schlimmer kommen kann. Viele von uns haben zusehends mehr Schwierigkeiten, ihre Familien zu ernähren und kommen Tag für Tag frustrierter in Ihre Praxen. Wenn wir schon Angst haben, geschlossen die Kassenzulassung abzugeben, uns von den häufig unqualifizierten Drohungen der Gesundheitsministerin einschüchtern lassen, immer noch glauben, die KVen würden uns helfen (obwohl sie das meiste Geld von den fleißigen Kassenärzten verbrauchen), dann müssen wir doch wenigstens vor einer Wahl still und leise und ohne Angst die Wahlprogramme lesen. Wenn wir im Gesundheitswesen eines finden, das unsere Berufsausübung ermöglicht oder sogar verbessern würde, warum halten wir dann noch politisch an alten Zöpfen fest, statt die Partei mit dem Programm geschlossen zu wählen, das den freien Arztberuf überhaupt erst einmal wieder ermöglichen würde? Ich kann nur raten, sehr kritisch damit umzugehen und an die eigentlichen Aufgaben eines Arztes und die notwendigen Rahmenbedingungen zu denken. Bis heute kenne ich nur ein schlüssiges Konzept, welches die freie Berufsausübung wieder ermöglichen könnte: das gesundheitspolitische Programm der FDP.

 

Wo sind wir gelandet bei der scheinbaren Europäisierung unseres beruflichen Umfeldes? Betrachten wir nicht die ärztliche Tätigkeit selbst, sondern die Möglichkeit von Verordnungen, dann verwundert es, mit welch perfider Taktik die Marktbereinigung betrieben wurde. Oder haben Sie noch auf alle Produkte Zugriff, mit denen Sie in den letzten Jahren erfolgreich, schonend und mit hoher Patientenzufriedenheit therapieren konnten? War es wirklich so gefährlich, das eine oder andere Produkt traditionell angewendet zu nutzen? Über 100 Jahre Erfahrungswerte, aber eben keine Studie – da wird schnell eine plötzliche Gefahr konstruiert, vor der die Politiker ihre Wähler schützen mussten. Jetzt aber haben wir es in der Hand und können einen Umschwung herbeiführen. So mancher Politiker sollte sich nun überlegen, wie er sich vor dem Wähler und seinem Votum schützen kann …

 

Ihr Holger Wehner,

der mit Freude seine Kassenzulassung abgab, weil es nicht mehr auszuhalten war und dessen Regresse aus 2004 die KV einklagen muss, da man sie nicht mehr einfach vom Honorar abziehen konnte.

 

 

Autor:

Prof. Dr. med. Holger Wehner

Kontaktdaten beim Forum-Medizin Verlag:

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